Jahrhunderte altes Haus bleibt unverkauft

(NGZ) „Wir haben auch schon schlimmere Zwangsversteigerungstermine als diesen erlebt“, sagte ein dem Verfahren beisitzender Rechtspfleger des Amtsgerichts, als die ausgerufene Bietzeit ihrem Ende entgegen schlich. Zwischenzeitlich – nachdem eine Interessentenpartei ein Mindestgebot abgab – rumorte es ein wenig im Saal 105, in dem auch schon Verfahren gegen Klimaaktivisten geführt wurden. Damals wurde an einem der Verfahrenstage auch die digitale Wanduhr des Sitzungssaales von Unbekannten entwendet. Mit der nun angebrachten, „fehleranfälligen“ Zeiger­uhr sind die Mitarbeiter des Gerichts weit weniger zufrieden.

Warum ist das wichtig? Um jedwede Art von Formfehlern während des Verfahrens zu vermeiden, achteten die vorsitzende und der beisitzende Rechtspfleger genau auf die Bestimmungen des Zwangsversteigerungsgesetzes. Unter anderem darauf, dass die gesetzlich vorgegebene Mindestbietzeit von 30 Minuten penibel eingehalten wird. Aber auf die zuckenden Plastikzeiger der runden Uhr könne man sich beim Ablesen eben nicht vollständig verlassen, so der Rechtspfleger. Auch nicht als diese genau 10.45 Uhr anzeigten – etwas weniger als eine halbe Stunde, nachdem die Vorsitzende zur Abgabe von Geboten aufgerufen hatte.

„Im Zweifel lieber 31 als 30 Minuten“, legte sie schließlich fest. „Safe“ sei eben „sexy“ – gerne auch in Zwangsvollstreckungsverfahren. Die letzten Augenblicke der Bietzeit, nach dem die Vorsitzende gefragt hatte, ob es noch weitere Gebote gebe, wurden überwiegend von Stille begleitet. Als sich der Minutenzeiger bis kurz vor den Strich über der Neun hocharbeitete, war Schluss.

Die einzige potenzielle Erwerberpartei – ein Ehepaar – hatte aufgrund überkommmender Zweifel da schon den Saal verlassen. Zuvor hatte sie ihr bereits abgegebenes Gebot zurückgezogen. Die verbliebenen Anwesenden zeigten wenig Interesse an einem Erwerb der mit einer mittleren sechsstelligen Grundschuld und Buchgrundschuld belasteten Immobilie.

Das von einem Gutachter mit einem Verkehrswert von 425.000 Euro taxierte Objekt mit einer Fläche von 698 Quadratmetern ist im Grevenbroicher Ortsteil Allrath zentral gelegen. Inmitten einer Gegend voller offensichtlich alter Häuser scheint das Haus mit der Adresse August-Münker-Straße 9 noch das älteste zu sein. Der Gutachter ging von einem geschätzten Baujahr 1850 aus.

Eigentümer Rudolf Wolf weiß es aber besser: „Der Ursprung des Hauses geht mindestens 350 Jahre zurück.“ Dass bei einem solch alten Objekt keine Bauakte vorliege, sei ganz normal. „Davon gibt es eine Menge in Grevenbroich“, so Wolf, der vielen Grevenbroichern noch durch seine Pläne für die Gastronomie im Alten Schloss bekannt ist, die jedoch nie verwirklicht wurden. Nicht zuletzt aufgrund nur unvollständig vorliegender Baupläne und der daraus resultierenden Gefahr eines Käufers, künftig weitere finanzielle Aufwendungen für bauordnungsrechtliche Legalisierungen tätigen zu müssen, stufte der Gutachter die zu bewertenden Gebäude- und Freiflächen als Risikoobjekt ein. „Eigentlich ist es aber ein Liebhaberobjekt“, sagte Wolfs Anwalt Ulrich Grigoleit.

Etwas hektisch wurde es, als Wolf und sein Anwalt dem bietenden Ehepaar auf Nachfrage keinerlei Auskünfte hinsichtlich der Frage, ob es sich um einen abseits der einsehbaren Grundschuld lastenfreien Erwerb handele. Da die Bieter das Mindestgebot abgegeben hatten, war Wolf dazu allerdings auch nicht verpflichtet. Kritisch angemerkt wurde seitens der Bieterseite, dass erst ihr Gebot aufgenommen wurde und es dann erst zu der Einlassung über die Auskunftsverweigerung seitens der Schuldnerseite kam.

„Fragen sind vorher zu stellen. Wir haben Sie nicht gezwungen, ein Gebot abzugeben. Das ist eine nicht akzeptable Unterstellung“, stellte der Rechtspfleger klar. Ganz ruhig auf Gläubigerseite wiederum saß eine Vertreterin der Kreissparkasse Köln. „Die Kreissparkasse wird ihr Geld bekommen“, sagte sie. Dies könne allerdings auch durch einen freihändigen Verkauf geschehen, den Anwalt Grigoleit schließlich in Aussicht stellte – eine Kaufabsichtserklärung liege bereits vor. Hätten die Bieter mehr geboten, wäre man zur Kooperation bereit gewesen. So werde man sich mit Recht „auf alles stürzen, was das Verfahren in die Länge ziehen“ könne. Unter anderem auch wegen Formfehlern. Von denen allerdings aufgrund der gewissenhaften Verfahrensführung offensichtlich keine vorlagen. Mit kurzem Blick auf die Zeigeruhr und der Gewissheit, einen Käufer zu haben, stellte der Anwalt aber klar: „Es wird keinen weiteren Termin mehr geben“.

Teile diesen Beitrag:
Facebook
Twitter
WhatsApp
error: Inhalt ist geschützt !!

Gemeinsam Leben retten!

Standorte der Defibrillatoren

(siehe Karte)

Bitte wählen Sie zuerst immer den Notruf 112

Erklärvideo

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Defibrillator am
FASA (Haupteingang),
Allrather Platz 12

Defibrillator an der
Grillhütte, Bongarder Str.
(Kirmesplatz)