Landes-Experten checken „LEP-Fläche“

(NGZ) Zwischen Neurath und Allrath liegt eine 350 Hektar große Fläche, die von landesweiter Bedeutsamkeit ist. Dort sollen einmal große Industrie- und Gewerbebetriebe angesiedelt werden. Doch ist das machbar?

Zwischen Neurath und Allrath liegt die sogenannte „LEP-Fläche“, auf der großflächige Industrie- und Gewerbebetriebe angesiedelt werden sollen.

Seit Juli 2013 steht fest: In Grevenbroich liegt eine von insgesamt vier sogenannten „Reserveflächen“ in Nordrhein-Westfalen, die sich für industrielle Großvorhaben eignen. Das große Areal zwischen dem Kraftwerk Neurath und der Bundesstraße 59 wurde vor zehn Jahren erstmals in den Landesentwicklungsplan (LEP) aufgenommen. Politiker betrachten diese Fläche seitdem als große Chance für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Grevenbroich und ihrer Nachbargemeinde Rommerskirchen.

Doch wie realistisch ist ein Industriegebiet auf dieser Fläche, die heute hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt wird? Antworten auf diese Frage liefert jetzt eine Machbarkeitsstudie, die vom NRW-Wirtschaftsministerium gefordert wurde. Der Landesbetrieb NRW Urban hat die Entwicklungsfähigkeit des 350 Hektar großen Areals untersucht und seine Erkenntnisse nun zusammengefasst. Planungsdezernent Florian Herpel wird diese Studie in der nächsten Woche dem Fachausschuss vorlegen.

Ein erstes Fazit des Beigeordneten: Das im Dezember fertiggestellte Papier belege, dass eine Entwicklung des Geländes technisch möglich sei, doch die Grundstücke seien nicht verfügbar. Zudem gebe es noch andere Unwägbarkeiten. Die Ergebnisse im Einzelnen:

Topografie Das Gelände liegt an der Ostseite der auslaufenden Ville und weist Höhenunterschiede von bis zu 33,5 Metern auf. Das könnte künftige Ansiedlungen von großflächigen Betrieben erschweren, meinen die Gutachter. Um die Fläche für Gewerbe nutzbar zu mache, seien umfangreiche Erdarbeiten nötig. Eine Nivellierung sei nur mit hohem Aufwand zu stemmen. Das sei ein großes Manko.


Eigentümer Der größte Teil des Geländes (78,3 Prozent) befindet sich in Privateigentum. Würde die Fläche zu einem Industrie- und Gewerbegebiet entwickelt, wären 21 Landwirte betroffen. Alleine zwei der insgesamt 24 Eigentümer besitzen laut Gutachten mehr als 50 Prozent des Areals. Eine Entwicklungsbereitschaft dieser Schlüsselpersonen sei demnach entscheidend.

Flächenverfügbarkeit Zwei der Schlüsseleigentümer sind laut Studie eventuell zu einem Flächentausch im Umfeld bereit. Der größte Eigentümer (36,4 Prozent) sei zu keinem Gespräch bereit gewesen. Tauschflächen im Eigentum des Landes stehen im Rheinland nicht zur Verfügung, heißt in der Analyse. Einem Zugriff auf die Flächen werden nur geringe Chancen eingeräumt.


Immissionsschutz Was die Abstände zu den Ortslagen von Allrath, Sinsteden, Vanikum und Neurath betrifft: Aus immissionsschutzrechtlicher Sicht könne „ein breiter Nutzungsmix gewerblich und industriell geprägter Vorhaben“ auf der sogenannten LEP-Fläche angesiedelt werden, heißt es in der Studie. 117 von 221 Anlagen- und Betriebsarten könnten dort eine neue Heimat finden. Ein Knackpunkt sind jedoch die drei im Untersuchungsgebiet liegenden Hofanlagen. Diese müssten erworben und in die neue Gewerbelandschaft integriert werden. Die in der Studie entworfene Idee: Die Höfe sollen Keimzelle für die Entwickler von drei unterschiedlichen Industrie-Clustern werden.


Denkmalschutz Gut Ingenfeld (1867) und Gut Krahwinkel (1844) sind eingetragene Baudenkmäler und müssen bei der Entwicklung der Fläche berücksichtigt werden. Zudem werden Bodenfunde aus den jüngeren Stein- und Metallzeiten vermutet. Ebenso liegen Hinweise auf römische Landgüter vor, auch mittelalterliche Siedlungsstrukturen könnten laut Studie unter dem Erdreich liegen. Heißt: Archäologische Untersuchungen werden notwendig.


Entwässerung Das Regenwasser muss auf der Entwicklungsfläche versickert werden, da die Gewässer in der Umgebung keine zusätzlichen Einleitungen zulassen. Nach einer ersten Abschätzung müssten hierfür etwa 200 Schluckbrunnen gebaut werden. Das Schmutzwasser könnte über einen Ringkanal in die sieben Kilometer entfernte Kläranlage Anstel abgeleitet werden. Diese sei zurzeit für 11.000 Einwohner ausgelegt und damit vollständig ausgelastet. Sie müsste aufwendig erweitert werden.
Verkehr Die Entwicklungsfläche ist aktuell durch die mittig verlaufende Landstraße 375 und die Kreisstraße 24 erschlossen. Ein Anschluss des Geländes an die Nord-Süd-Kohlebahn sei mit verhältnismäßig wenig Aufwand möglich.


Kosten Die Kosten für die Entwässerung, für den Bau von Verkehrsanlagen und die Entwicklung der Freiflächen werden auf 94 Millionen Euro geschätzt. Für Planungsleistungen und Honorare würden zusätzlich 25 Millionen Euro fällig. Der Grunderwerb könnte bis zu 250 Millionen Euro kosten. Fördermittel könnten etwa über das NRW-Projekt „Revier gestalten“ beantragt werden.

Nach aktuellem Stand wird die Entwicklung der sogenannten LEP-Fläche „mit großer Wahrscheinlichkeit“ am fehlenden Zugriff auf die Grundstücke scheitern. Auch wenn einzelne Eigentümer zum Tausch bereit seien, ständen im Umfeld keine geeigneten Tauschflächen in der erforderlichen Größe und Qualität zur Verfügung, heißt es in der Studie. Nur wenn die Flächen verfügbar seien, könne das Projekt in Angriff genommen werden.

Info

Studie wird jetzt dem Fachausschuss vorgelegt

Check Untersucht wurden die 350 Hektar große LEP-Fläche sowie die 42 Hektar große, sogenannte Starterfläche am Kraftwerk Neurath. Die Bearbeitung begann im November 2020.


Kosten Die Prüfung wurde vom Land Nordrhein-Westfalen mit 90 Prozent gefördert. Den Eigenanteil von 30.000 Euro teilt sich die Stadt Grevenbroich mit der Gemeinde Rommerskirchen. Letztere war auch Auftraggeberin.

Gremium Die Studie wird am
1. März, 18.30 Uhr, dem Planungsausschuss vorgelegt.

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