(NGZ) Die Vollrather Höhe ist eine weithin sichtbare Landmarke in Grevenbroich – ein künstlicher Berg, der seit Jahrzehnten fester Bestandteil des Stadtbilds ist. Bereits Ende der 1950er-Jahre berichtete die „Welt“ über das Projekt und nannte die Vollrather Höhe den „größten künstlichen Berg Europas“. Aufgeschüttet wurde die Halde aus Abraum des Braunkohletagebaus Frimmersdorf, in den Jahren 1955 bis 1968. Seit 1973 ist das Plateau öffentlich zugänglich, das Gebiet dient als Naherholungsraum und bietet einen weiten Blick über die Umgebung. In diesem Jahr ist die Halde 70 Jahre alt geworden – und sie weckt noch immer großes Interesse. Das zeigte sich zuletzt beim gut besuchten Vortrag des Allrather Heimatforschers Rolf Esser.
Für die SPD-Fraktion im Rat war genau das unter anderem ein Auslöser, das Thema politisch aufzugreifen. Mit einem Antrag fordern die Sozialdemokraten jetzt, die Vollrather Höhe künftig stärker für Umwelt-, Natur- und Erlebnispädagogik zu nutzen. „Es geht darum, dass das Potenzial dieses Ortes wieder richtig ausgeschöpft wird“, sagt Philipp Bolz, der Ratsherr ist selbst in Allrath, also am Fuße der Höhe zu Hause. Für den 30-Jährigen ist das Anliegen auch persönlich geprägt: Er kennt die Vollrather Höhe seit seiner Kindheit, hat dort viel Zeit verbracht und gern den Wald erkundet. „Ich bedauere, dass heute immer weniger Kinder dort unterwegs sind“, sagt Bolz.
Generell wüssten viele Menschen nicht, welche Tier- und Pflanzenarten auf der Vollrather Höhe heimisch sind. Er habe selbst dort beispielsweise mal einen Dachs gesehen – gerade für Kinder und Jugendliche sei es wichtig, wieder einen Bezug zur Natur vor der eigenen Haustür zu bekommen. Der nun von der SPD zur Vollrather Höhe formulierte Ratsantrag sieht vor, Schulen, Kitas, die Volkshochschule (VHS) sowie lokale Vereine einzubinden. Denkbar sind Angebote wie Waldralleys, geführte Naturtouren oder andere kreative Formate. Die Stadtverwaltung soll ein Konzept erstellen. „Andernsorts gibt es zum Beispiel Survivaltrainings, bei denen man draußen übernachtet und Lagerfeuer macht“, fügt Bolz hinzu. Ziel sei es, den Wald wieder erlebbar zu machen.
Auch niedrigschwellige Angebote könnten Teil des Konzepts sein, wie Informationstafeln entlang der Wege. Welche Pflanzen wachsen hier? Welche Pilzarten gibt es? Was macht die Landschaft auf der rekultivierten Halde besonders? Die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Rebecca Diekers, betont: „Auf der Vollrather Höhe können wir praxisnah vermitteln, wie Ökosysteme funktionieren und wie sich die Landschaft durch Strukturwandel verändert hat.“
In einem nächsten Schritt müsse dafür ein konkretes Konzept erarbeitet werden. Bolz hält es für sinnvoll, auch Waldpädagogen einzubeziehen, die vor Ort prüfen, welche Angebote naturverträglich umsetzbar sind. Dabei ist die Nutzung der Vollrather Höhe nicht frei von Rahmenbedingungen. Bolz weist darauf hin, dass die Hänge nicht der Stadt gehören und einige Wanderwege, die früher genutzt wurden, heute nicht mehr existieren. Das sei ein Umstand, den viele Bürger bedauern – auch diese Aspekte müssten bei der Planung berücksichtigt werden.
Unabhängig davon steht die Vollrather Höhe weiter im Zeichen des Strukturwandels. Geplant ist unter anderem der Bau eines Aussichtsturms auf dem Plateau. Der Turm selbst könnte bis zu 30 Meter hoch werden und stünde damit auf der Halde, die selbst Höhen von bis zu 187 Metern über Normalnull erreicht. Im März dieses Jahres begutachteten Planer das Plateau der Abraumhalde mithilfe einer Drehleiter, um einen geeigneten Standort für die Plattform zu bestimmen. Nach zwei Befahrungen fiel die Entscheidung auf die Kultstätte „Drei Linden“.
Für Philipp Bolz passt das gut zum aktuellen Vorstoß seiner Fraktion. „Die Vollrather Höhe ist ein besonderer Ort für unsere Stadt“, sagt er. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, sich bewusst damit zu beschäftigen, was sie heute und in Zukunft sein kann. Mit dem Antrag soll die Verwaltung beauftragt werden, ein umfassendes Nutzungskonzept zu entwickeln und bereits ab 2026 Pilotangebote vorzubereiten.
INFO
Grevenbroich von oben: Aussichtsturm geplant
Aussichtsturm Auf der Vollrather Höhe ist ein Aussichtsturm geplant. Er soll nicht nur den Blick über die vom Braunkohleabbau geprägte Landschaft eröffnen, sondern auch die Bedeutung erneuerbarer Energien sichtbar machen. Zur Auswahl eines geeigneten Standorts befuhren die Planer im März das Plateau mit einer 30 Meter hohen Drehleiter.
Inspiration Ein Beispiel für das geplante Bauwerk ist der 36 Meter hohe Indemann auf der Goldsteinkuppe, einer Abraumhalde im Kreis Düren. Die Stahlkonstruktion wiegt 280 Tonnen, ist mit mehr als 40.000 LEDs versehen und erlaubt von drei Aussichtsplattformen den Rundumblick auf die Umgebung und den Tagebau Inden.